Kein grosser Verlust

Ich sitze und das Leben zieht vorüber. Wenn ich hinaus blicke, sehe ich die Oberleitungen der Züge und höre das Vorbeirauschen abertausender Menschen, jeden Tag.

Der Kater scheint unbeeindruckt. Es rattert und knallt. Er frisst und schläft, gewohnt, tagein – tagaus. Kein Groll gegen all das Leben, das beginnt. All das Leben, das hinter den Schienen weitergeht.

Ich bin nicht mehr wütend. Ich habe keinen Hass, davon gibt es ja schon genug auf der Welt. Es ist alles abgelegt, es ist verziehen, vergessen und vergeben. Es war kein grosser Verlust.

Der Mond zieht langsam auf, nicht mehr in seiner Gänze. Doch fühle ich mich fast erleuchtet, fast geblendet. Sein Schein lässt selbst von den kleinsten Kieseln grosse Schatten werfen – fast so, wie im echten Leben.

Ich habe meinen Frieden, gefunden in deinen Augen. In deinen Armen. Wenn du mich halten kannst. Gegangen bin ich, abermillionen Wege, bis zu diesem Punkt. Umkehren war nie eine Option.

Der leuchtende Schriftzug dahinten, das milchige Weiss auf rostrotem Grund der Industrien, hier wo mein Leben voran zieht. Tiefes Ausatmen und ein schneller Blick nach oben, Wolken und Lichterschein der hell erleuchteten Stadt.

Ich finde mich zurecht in mir. Und ich bin mir selbst genug. Das ist alles, was ich sein wollte und alles was ich sein muss. Und vorbei ist es erst, wenn es vorbei ist – an der Wegegabelung, die vor mir verläuft und mahnend fragt: wie weit kannst du noch?

Der erhabene Moment von Freiheit. Entschieden.
Gelebt. Geliebt. Geweint. Gewonnen – Freiheit im Herzen, Freiheit im Sinn. Darum, genau darum, muss ich nicht entschuldigen, wer ich eigentlich bin.

110817

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