Unscheinbar und wüst, mit zerzaustem Haar, getragen vom Wind, durchstreift sie die Strassen. Gestresst und gehetzt, von all dem Grau und all den wirren Massen, versucht sie nur Klarheit zu finden und sucht nach Antworten und einem Sinn. Doch viel Zeit zum Grübeln bleibt ihr ja gar nicht, denn sie muss weiter, hetzen und fetzen, rennen und laufen, und laufen und laufen, um noch die nächste Bahn zu erwischen und nicht wieder zu spät zu sein. Doch irgendwann ist immer zu Spät und der richtige Zeitpunkt scheint längst verpasst. Das Getümmel der Menschen in der Strassenbahn, sie fährt, sie hält wieder an, sie fährt und dann – sie blickt aus dem Fenster, wie immer, stumm vor sich hin, hört ein paar Töne, Klänge in ihrem Ohr und fahndet nach einem tieferen Sinn. Die Scheibe ist dreckig, der Schmutz in Tropfenform fest angetrocknet, ein paar alte Fliegen liegen am Fensterscheibenrand; doch all der Tristesse zum Trotz, stehlen sich die Sonnenstrahlen durch das Glas und wärmen ihr Gesicht. Das Surren der Türen, das Piepen fürs Halt, das Murren all der Menschen und das Kindergeschrei. Sie hat das nicht gern, sie verkriecht sich lieber in sich und entgeht diesem Lärm des alltäglichen Menschenangesichts. Der nächste Halt ertönt, Paradeplatz, und sie steigt aus, läuft durch das Viertel und findet nicht wieder heraus aus dem Alltag und all diesem Trott, lässt sich treiben zwischen hunderten Armen und Füssen, die auch alle dringend irgendwo hin müssen. Mühsam und träge so zieht sich je her der Verkehr in dieser Stadt, auf Strasse und Gehsteig gleichermassen; macht keinen Unterschied, ob Räder drunter passen. Sie läuft und schaut manchmal auf und sieht hie und da in ein Gesicht, sie weiss es ist nicht deins, denn sie fühlt das nicht. Sie sucht in all den Augen, in allen Ecken; sie hofft, du würdest dich doch einfach und simpel nur ausversehen dort verstecken. Ihre Wege gehen, sie führen an all denen vorbei, an Grossen und Kleinen, Dicken und Dünnen, an unsagbar Schönen und an denen, die niemals gewinnen. Ein kleines bisschen Glück, das hat sie sich gewünscht. Sie hetzt zum Termin, setzt sich dort hin und wird wartend gelassen, in einem kleinen Vorzimmer irgendeines Büros in einer kleinen Gasse. Gespräche und Worte, Fetzen erreichen sie nur. Der Termin zieht vorüber, wieder hängt sie sich ein in die immerwährende Schnur von Menschen, die weiter ziehen und gehen und laufen. Und dann beschliesst sie, ganz spontan: jetzt fange ich es richtig an! Sie geht zur nächsten Strassenbahn und die führt direkt zum Hauptbahnhof, sie folgt dem Sog der Pendelnden und der Leute, doch heute geht sie nicht nach Haus, sondern löst ein Ticket und malt es sich schon aus; wie sie im Zug sitzt in die weiter Ferne, um dich zu begrüssen – ja das will sie, nur ach so gerne. Und wenn es nur ein paar Worte sind, doch von dir möchte sie den Lärm, sie möchte von deiner Hand berührt werden und weiss, du wirst sie wärmen. Und sie setzt sich in den Zug, mit einer Genugtuung keiner gleichen, denn in nur sieben Stunden wird sie endlich deinen Blick erreichen, den sie so sehr auf ihr spüren will; dein Blick, dein Lächeln, und schon wird sie behutsam, wird still, entflieht der Hektik und den ganzen Ärgernissen, um zu spüren, wie es sich anfühlt, dich zu küssen.
270317